Mittwoch, 18. März 2009

Antiimperialismus in the city. Über die Scheußlichkeiten des Kampfes gegen Gentrification

Am vergangenen Samstag bot sich den Menschen in Berlin ein mittlerweile gewohntes Zeremoniell. Tausende Menschen demonstrierten für den Erhalt linker Freiräume und gegen die Aufwertung städtischen Wohnraums und der damit einhergehenden Verteuerung der Mietpreise, in der Stadtsoziologie Gentrification genannt. Fast schon obligatorisch könnte mensch die im Verlauf der Demo sich zu getragenen Sachbeschädigungen an PKWs und den Angriff auf eine Mcdonalds Filiale nennen.(1) Aktionen gegen ausgewählte Lokale, wie jetzt in der Simon-Dach- Straße, der Inbegriff für einen gentrifizierten Straßenzug, ist als altbewährts Mittel gegen nicht akzeptiere Gastronomen in Berlin bekannt.

Nicht nur, dass es sich einem nicht erschließt, was daran emanzipatorisch sein soll, wenn mensch es anderen Menschen missgönnt und sie letztendlich daran hindert einen entspannten Abend in einem Lokal/Cafe/Lounge zu verbringen, Autos von Leuten zerstört nur weil deren Arbeitskraft sich besser verwerten lässt als die der meisten anderen und Steine, Flaschen und Farbbeutel gegen ein McDonald`S Restaurant pfeffert, weil es aus den verhassten USA kommt, ist es doch viel mehr so, dass die ganze linke Debatte um Gentrification durchzogen zu sein scheint von regressiven Scheußlichkeiten.

Am besten lässt sich der Protest gegen Gentrification als ein antiimperialistischer Befreiungskampf im städtischen Mikrokosmus begreifen, der dem gleichen Deutungsmuster unterliegt und mit vergleichbaren Kategorien arbeitet, wie der antiimperialistische Kampf auf der Staaten und Weltmarktebene. Die Sachlage ist einfach darzustellen: Da der Antiimperialismus nur die Fremdherrschaft kennt, von dem Wirken des Wertgesetzes und dem Fetischismus bürgerlicher Vergesellschaftung nichts wissen will (2), hat er sich schon immer im Stande gesehen die nicht zum eigenen Kollektiv gehörenden Verursacher und Schuldigen für die Ausbeutung genau lokalisieren zu können. Waren es bei Lenin noch die „Schicht der Rentner“ (Finanzkapitalisten) der kapitalistischen Staaten, deren „Beruf der Müßiggang ist“(3), im Marxismus-Leninismus eingegrenzt auf die (Finanz)Bourgeoisie der USA und Israel, so sind es in der Gentrification Debatte die Mietspekulanten und eine aufstrebende Mittelschicht, die vor allem aus schwäbischen Gefilden stammt.
Ganz in der Tradition des dichotomen Weltbildes des Antiimperialismus wird der Gruppe der Ausbeuter, der der Täter, die Gruppe der Opfer und Ausgebeuteten gegenüber gestellt. Nicht das Volk ist hierbei das revolutionäre Subjekt, sondern die Kiez-Gemeinschaft. Aber auch hier gilt es eine authentische Kultur vor der Zerstörung, will heißen Überfremdung und Dekadenz, zu bewahren. Bevorzugtes Ziel der „Kiezmilizionäre“ (4) sind eben all jene Lokale die im Verdacht stehen ein Produkt oder ein Katalysator der Gentrification zu sein. Die also von Fremden, nicht im Kiez sozialisierten Menschen, besucht und betrieben werden. Als sehr nützlich erweist sich dann auch die Präsenz einer Mc-Filiale, deren Demolierung eine Referenz an dem Kampf im Weltmaßstab sein soll.

Die Möglichkeit im Rahmen kapitalistischer Vergesellschaftung für ein höchstmögliches Maß an individueller Selbstentfaltung und an einem Leben mit dem geringstmöglichen Maß an kollektiver Identität, die im urbanen Leben bereits positiv angelegt ist, sollte zentral sein bei der Schaffung linker Freiräume.(5) Die Beschwörung einer Kiez-Identität und Gemeinschaft, die durch die Abgrenzung gegenüber dem Fremden zu sich findet, unterminiert die progressiven Potentiale urbanen Lebens und ist von einem linksradikalen Standpunkt ausbetrachtet abzulehnen und zu kritisieren.

(1) http://www.tagesspiegel.de/berlin/Saeure-Friedrichshain;art270,2752388
(2) Und somit am Kern der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie vorbeigeht, der es gerade darum geht herauszustellen, dass alle Menschen im Kapitalismus den gleichen Zwängen unterworfen sind und durch ihr eigenes Handel, das sie nicht durch schauen können den Kapitalismus selbst reproduzieren. Natürlich ist es dabei keine unerhebliche Frage auf welcher Seite des Kapitalverhältnis mensch steht. Eine ausführliche Kritik an der Lenischen Imperialismustheorie, die im besonderen auf die nicht wertkritische Darstellung Lenins abhebt lässt sich in der Dissertation von Christel Neusüss finden: Imperialismus und Weltmarktbewegung des Kapitals. 2. Auflage 1975.
(3) Lenin, W.I. Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1946. S. 122/123.
(4) http://www.tagesspiegel.de/berlin/Saeure-Friedrichshain;art270,2752388
(5) Freiräume im Kapitalismus kann es nicht geben. Im Bereich des möglichen liegt es aber Räume zu schaffen, in der jeder Mensch anders sein darf, ohne Angst haben zu müssen Repressalien zu erleiden.

Samstag, 7. Februar 2009

Über das Elend der Rechtsextremismusforschung und ihrer linken Rezeption

Im rechten Lager was Neues. In so etwa lässt sich die Beobachtung vieler SozialwissenschaftlerInnen und derer links-liberaler, respektive linksradikaler Kreise von einer antikapitalistischen Konnotation neonazistischer Programmatik und Agitation umschreiben. Bedingt durch eine gemeinsam geteilte Besorgnis, wie sich aber auch anhand ähnlicher Erklärungsversuche herausarbeiten lässt, verhalten sich Wissenschaft und Bewegungslinke in diesem Falle komplementär zu einander.

Während die einen sich darüber lauthals mokieren, dass die Nazis aus rein wahltagtischen Gründen ihre Themen besetzten und streitig machen würden, attestiert der Mainstream der (Poltik)-Wissenschaft, dem rechtsextremen Lager ein Wandel in wirtschaftspolitischen Fragen, in dessen Verlauf vermehrt auf antikapitalistische Topos gesetzt werden würde.

So berichtete die Taz in ihrer Ausgabe vom 21. Januar über eine quantitative Umfrage von dem Berliner Politikwissenschaftler Richard Stöss, in der festgestellt wurden war, dass 89% der Menschen im Bundesland Brandenburg, denen eine rechtsextreme Einstellung nachgewiesen werden konnte, sich als „kapitalismuskritisch“ bezeichnen würden. Für die Taz scheint dieses Ergebnis der letztendliche Beweise zu sein, dass die extreme Rechte in wirtschaftspolitischen Frage einen gänzlich neues Kurs eingeschlagen hat, der sie von der Nähe zum rechtskonservativen Bürgertum und der damit einhergehenden Parteinahme für ein „freies Unternehmertum“, bei gleichzeitiger Diskreditierung von Arbeitslosen als „Sozialschmarotzer“ weggeführt habe. Diese vermeintliche Metamorphose rechtsextremer Einstellungen bringt auch nochmal Stöss auf dem Punkt, wenn er mit den Worten zitiert wird: „Wir beobachten, dass antikapitalistische Einstellungen in der rechten Szene bereits seit einiger Zeit sehr weit verbreitet sind.“(1)

Stöss erbringt wiedermal eindrucksvoll den Beweis dafür, wie weit die Rechtsextremismusforschung davon entfernt ist, einen adäquaten Begriff vom Neonazismus zuhaben. Die Behauptung, dass es zu einer Neujustierung neonazistischer Ideologie gekommen sei, negiert oder erkennt nicht, dass es sich beim Nationalsozialismus, wie auch beim Neonazismus um eine antikapitalistische Rebellion handelt, die sich gegen die positiven Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft richtet und ihrem Wesen nach immer für das Streben nach Liquidierung von jüdischem Leben steht. Der Nationalsozialismus, wie es gerne von weiten Teilen der Linken herausgestellt wird, ist hierbei auch nicht irgendwie identisch mit dem westlichen Materialismus, nicht ein beliebige Krisenbewältigung des Kapitals, sondern eine genuin deutsche. Uli Krug und Bernd Volkert haben dies wie folgt zusammen gefasst: "Der Nationalsozialismus erschien keineswegs mehr als Produkt einer deutschen Kollektivmentalität, der auch der Hass auf das „materialistische“ Amerika entspringt, sondern vielmehr als „irgendwie“ identisch mit dem westlichen Materialismus; er wurde semantisch übersetzt, zum Attribut der Herrschaft jener, die die Deutschen besiegten.“(2)
An dem dialektischen Verhältnis des antikapitalistischen Kapitalismus, das der nationalsozialistischen Ideologie innewohnt, scheitert die bürgerliche Poltikwissenschaft bei ihrer Erforschung des sogennanten Rechtsextremismus.

Bei der neuerdings auftretenden Artikulation eines sozialistischen und antiimperialistischen Programms seitens deutscher Neonazis handelt es sich um eine neue Akzentuierung ihrer Ideologie, gerade nicht um eine Neujustierung, die einher geht mit einer sich gewandelten Gelegenheitsstruktur für die Artikulation einer antiamerikanisch und antisemitisch daherkommenden Kapitalismuskritik in der politischen Kultur des postnazistischen Deutschlands. Die Etablierung einer personifizierten und staatsapologetischen Kapitalismusschelte in der Soziokultur der Gesellschaft, die gerade auf diejenigen Leute zurückgeführt werden kann, die sich am stärksten über den vermeintlichen Ideenklau der Nazis beschweren, namentlich u.a. weite Teile der No Global Bewegung, gab der neonazistischen Szene die Möglichkeit mit ihrem antiimperialistischen Weltbild auf der Höhe der Zeit zu sein.
(2) Vgl. Uli Krug/ Bernd Volkert: Vorkrieg I: Hate Letters to America, in: Thomas Uwer u.a. (Hg.) Amerika. Der War an terror und der Aufstand der Alten Welt. S. 153

Montag, 2. Februar 2009

Über die Verschiedenheit in der Parteinahme im Gaza Konflikt.

Es vergingen nur wenige Tage, bis sich die ersten Demonstrationen gegen die israelische Militäroffensive im Gaza Streifen durch die innerstädtischen Bezirke der Großstädte in Deutschland bewegten. Lanciert und getragen wurden diese Großveranstaltungen, die von bis zu 100000 Menschen besucht wurden waren, von Gemeinden und Vereinen islamischer und islamistischer Provenienz. Das es sich hierbei um die größten antisemitischen Manifestationen seit dem faktischen Ende des Nationalsozialismus handelte, konnte von kritischen BeobachterInnen alsbald konstatiert werden, wenngleich die deutschen Medien nicht müde wurden zu suggerieren, dass es sich bei den Solidaritätsbekundungen für Israel und den sogenannten „Friedensdemonstrationen“ um ein konvergentes Ringen um die Meinungsführerschaft in diesem Konflikt handeln würde. Beunruhigend lange wurde der Topos vom „friedlicher Verlauf“ semantisch mit der Abstinenz von Gewalt und Ausschreitungen übersetzt. Erst nachdem sich die Übergriffe auf Israel-solidarische Menschen gemehrt haben, wurde von Seiten der Medien auf den offen zur Schau getragenen, aber doch zumindest geduldeten, Antisemitismus und Antizionismus der Demonstrationen reflektiert. Die Verschiedenheit zwischen den Kundgebungen ist somit keine Frage der Nuancierung, sondern ist grundlegender Natur. Festzuhalten ist, dass es zu keinen gewalttätigen Übergriffen auf Menschen gekommen ist, die aufgrund ihres Aussehens, für „Palästina-solidarisch“ gehalten wurden sind. Desweiteren lassen sich keinerlei Berichte über anti-muslimische, oder anti-arabische Transparente und Sprechchöre finden, die auf Israel Kundgebungen getätigt wurden sind.

Den Charakter solch einer Friedensmanifestation ließ sich auch in Mainz anschaulich studieren. Neben der Großdemonstration vom 10.01, kam es am 19.01 zu einer Schülerdemonstration, die als ein Schweigemarsch angekündigt wurde. In dem Aufruf zur Demo, wurden die Menschen dazu angehalten neben den obligatorischen Palästina-Flaggen „von euren Ländern jeweils nur eine oder zwei (Flaggen B.K)“ mitzubringen. Insofern überraschte es auch keineswegs, dass ein älterer Demonstrant die Fahne des Iran mit sich führte, die Flagge desjenigen Regimes, das den Holocaust nicht nur leugnet, sondern an der technischen Umsetzung einer zweiten Shoa arbeitet. Gemäß den Diktionen der Teheraner Schwulen und Judenmörder wurde vor dem Beginn der Demonstration ein Transparent von der Polizei sichergestellt, auf dem Israel mit Nazi-Deutschland gleich gesetzt wurde und auf dem sich, so berichteten anderen Augenzeugen, die Schriftzug befand: „Früher Gas, heute Phosphor.“

Als ein durchgängiges Charakteristikum der Demo, die schätzungsweise 200 Menschen umfasste, erweis sich die starke Maßregelung und Gängelung der Kinder durch die bisweilen autoritär auftretenden Demoordner. So konnte beobachtet werden, dass einem kleinen Jungen mit Pali-Fahne unvermittelt der rechte Arm hochgerissen wurde, nachdem die Fahne nicht mehr im Wind wehte.Grundsätzlich dürfte der Altersdurchschnitt der Kinder bei unter 10 Jahren gelegen haben. Einem Alter, bei dem grundsätzlich gefragt werden muss, in wie weit Kinder das Anliegen einer Demonstration verstehen können und in wie weit ihre Teilnahme eine freie Entscheidung darstellt