Mittwoch, 3. Dezember 2008

Politischer Veganismus und Urbanität.

Bisweilen lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen, was der innerlinke Diskurs, wenn er denn überhaupt einer ist, über die richtige Einordnung der Tierrechtsideologie für Früchte tragen wird. Der Ausgang dieser Kontroverse ist maßgeblich von der Frage abhängig, ob hier wirklich um Ausschlüsse debattiert wird, immer in dem Sinne verstanden, dass der entsprechenden Theorie in Abrede gestellt wird zu allgemeinen Emanzipation beizutragen, oder sogar hinter Bestehendem zurück fällt, oder aber, ob die Fraktion der TierrechtschützerInnen wirklich mit den Anspruch auftritt, einer linken Herrschafts- und Ausbeutungs Kritik eine neue Facette hinzuzufügen. Letzteres lässt sich mit Gewissheit für all jene Menschen sagen, die unter dem Label des Antispeziesismus firmieren und sich politisch organisieren. Diese Menschen wollen ihre Kritik an der systematischen Tötung von Tieren als nicht abstrahierbar von einer allgemeinen Kritik an Staat und Kapital verstanden wissen. Bei aller gerechtfertigten Kritik am Antispeziesismus, auf die hier nicht eingegangen werden kann, ist eine materialistische Ausrichtung der Tierschutzideologie sicherlich ein Novum.
Eine andere Gruppe der VerganerInnen, die sich in die Plicht genommen fühlt einen Ausweg aus bürgerlich-kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen aufzuzeigen, hat es noch nie dabei bewenden lassen, sich nur Gedanken zu machen, sondern ist gleich dazu übergegangen diesen Ausweg auch vor zu exerzieren. Wie ein Leben jenseits des Bestehenden aussehen soll, dafür lassen sich vieler Orts Beispiele finden. Gemein ist ihnen, dass sie ein Leben in identitären, naturwüchsigen und verbindlichen Lebensgemeinschaften jenseits größerer Ballungsgebiete offerieren. Nominell gesehen lebt die Mehrheit der politisierten VerganerInnen nicht in vergleichbaren Strukturen , sondern in der Großstadt. Es wäre aber der falsche Schluß gezogen, wenn dieser Fakt dazu herangezogen werden würde, dem Vorwurf zu begegnen, dass es innerhalb der VegannerInnen Community eine gewisse Affinität für solch ein Lebensentwurf geben würde. Genau dies tut Jens Friebe, indem er in seinem Aufsatz in der Jungle World erklärt, dass es die meisten Vegetarier nicht im Busch oder in der schwäbischen Provinz, sondern in den Metropolen (gibt) (1) und somit jedweden Überlegungen über die regressiven Sehnsüchte einen Riegel vorschiebt.
Beflissentlich übersehen wird dabei, dass sich jene veganischen Lebensgemeinschaften sehr wohl in ein Verhältnis zur Urbanität setzten, nämlich in ein durch und durch negatives. Ein Blick auf die homepage eines der populärsten Ökodörfer gibt Aufschluss darüber. Der Leitspruch des Ökodorfes Sieben Linden in Sachsen Anhalt lautet demnach: Leben findet wieder im Dorf statt (2), was nicht nur impliziert, dass das Leben zwischenzeitlich für die Menschen „woanders“ statt gefunden hat, sondern auch, dass die Abkehr von jener Lebensform eine bewusste Entscheidung aller dort lebenden Menschen darstellt. Niemand dürfte ernsthaft bezweifeln, dass hiermit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass es die Großstadt war, von der mensch sich abgewendet hat. Somit nehmen diese Ökodörfer ihren Anfang in der Großstadt, wo wir wieder ganz bei Jens Friebes Einschätzung wären, wonach die Metropolen die meisten VerganerInnen beherbergen. Wo auch sonst bietet sich einem solch eine Gelegenheitsstruktur, die sich in veganen VoKüs, antisepeziesistischen Gruppen und der gleichen auftut, die einem erlaubt mit dem Thema vertraut zu werden. Die Abwanderung ins Ökodorf findet deshalb nicht trotz, sondern wegen der urbanen Lebensweise statt, die den Abtrünnigen alle Scheußlichkeiten der bürgerlich- kapitalistischen Gesellschaft kennen lernen ließ. Darunter dürften nicht nur die Verelendungs-und Verarmungsprozesse fallen, die sich in ihrer radikalsten Form nur in der Großstadt beobachten lassen, sondern darunter kann mensch auch sicherlich die gegenüber dem Leben im Dorf exorbitant höher liegende Möglichkeit nach individueller Selbstentfaltung und einem Leben ohne allzu starke Identitätsnarrative subsumieren.(3)
Ausgehend von den Annahmen, dass die Fluktuation zwischen Großstadt und Ökodorf größer ist als zwischen Provinz und Öko-Dorf und dass der Gründungsethos der Dörfer in einem Ressentiment gegen die Urbanität zu suchen ist(4), muss die Frage nach der Verzichtslogik und Elendsapologie des poltischen Veganismus dahin gehend gestellt werden, ob die Mehrheit der VeganerInnen aus bewussten Gründen in einem urbanen Umfeld leben, oder aber ob die Kapazitäten für die Abwanderung in ein Ökodorf noch nicht ausreichend sind, um die Mehrheit zu beherbergen.
(1) http://jungle-world.com/artikel/2008/45/28646.html (03.12.08)
(2) http://www.siebenlinden.de/ (03.12.08)
(3) Was in sowohl bejahender, wie auch in ablehnender Weise mit dem Ausdruck "die Anonymität der Großstadt" gefasst wird.
(4) Unter dieses Ressentiment fällt eine explizite oder implizite Ablehnung gegenüber Individualität, Rationalität, Materialismus und Intellektualität.

Mittwoch, 26. November 2008

Carmen Everts und die deutschen Zustände. Was eine akademische Biographie über die politische Kultur verraten kann.

Viel wurde über den gescheiterten Versuch Andreas Ypsilantis geschrieben, eine rot-grüne Minderheitsregierung zuschustern, die ihre Mehrheiten in erster Linie durch eine lose Kooperation mit der Fraktion der Linken bekommen sollte. Wie es in den Annalen der hessischen Geschichte für jeden interessierten Menschen in Zukunft zu lesen sein wird, ist dieses Vorhaben an vier Abgeordneten gescheitert, die diesem Plan kurz vor dem anstehenden Wahlgang im Landtag die Unterstützung aufgekündigt haben. Die Suche nach den individuellen Gründen der Protagonisten erweckte das Interesse einiger Medien (u.a. spiegel online, taz) für die Dissertation von Carmen Everts, die sie im Jahre 2000 unter dem Titel „Politischer Extremismus. Theorie und Analyse am Beispiel der Parteien REP und PDS“ veröffentlicht hatte. Dort fabuliert sie in bester extremismustheoretischer Manier über einen demokratischen Minimalkonsens, von dem ausgehend sich eine sichere und trennscharfe Grenzziehung zwischen Parteien demokratischer und extremistischer Provenienz ziehen lassen könne.(1) Ihr letztendliches Nein zu einer indirekten Regierungsbeteiligung der Linken wurde deshalb in den Medien als wenig überraschend dargestellt, sieht sie doch den vielbeschworenen demokratischen Minimalkonsens durch die Programmatik und Agitation der damaligen PDS gefährdet.

Eine umfangreichere Kontextualisierung ihrer Dissertation blieb dabei aber aus. Dies verwundert insofern, als das Ihr „Doktorvater“ Eckhard Jesse, seines zeichens Professor für politische Systeme an der TU Chemnitz, zu den präsentesten Politikwissenschaftlern in medialen und politischen Diskussionen in Deutschland zählt.

Jesse, der als wichtigster Theoretiker des Extremismusbegriffs gilt, fällt kritischen BeobachterInnen vor allem durch seine notorische Verharmlosung der Verbreitung neonazitischer Ideologie in der BRD auf. Will mensch verstehen warum das so ist, muss sich der Konnotation des Extremismusbegriffs zugewendet werden. Komprimiert zusammengefasst geht es Jesse und Co darum herauszustellen, das sich die Gefahrenpotentiale für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung auf beide Extreme gleichermaßen verteilen, diese aber, welche stets nur parteiförmig erfasst werden, keine wirkliche Gefahr für die Demokratie darstellen, da sie gemäß des antiextremistischen Konsens ein externalisiertes Dasein am Rande der Gesellschaft fristen. Dieser Konsens, wahlweise als antiextremisitsch oder demokratisch ausgegeben, ist der logischen Konsequenz die aus den Lehren über das Scheitern der Weimarer Republik gezogen wurden erwachsen, in der es keine verfassungsrechtlichen Abwehrmöglichkeiten gegenüber den beiden extremistischen Lagern gegeben hat. Diesem Deutungsmuster folgend, kann dem deutschen Bedürfnis nach einer Selbststilisierung zum Opfer des Nationalsozialismus genüge getan werden. Nicht die Tatsache, dass eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung einer Demokratie westlichen Zuschnitts die Zustimmung verweigert hat, ist für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich, sondern eine kleine Schar von pathologisierten, auserhalb der Gesellschaft stehenden Extremisten. Die gegenwärtige Betonung der Extremismusforschung, dass den Gefahren des Linksextremismus gegenüber den des Rechtsextremismus weniger Beachtung gescheckt werden , erhöht die Plausibilität dieser Volksapologie.

Daher verwundert es keineswegs, dass Eckhard Jesse sich immer wieder für eine Historisierung des Nationalsozialismus stark macht(2) und dass seine Darstellung der Deutschen als erste Opfer des NS nicht ohne (sekundär) antisemitische Ressentiments auskommt. So schreibt er in seinem Aufsatz Philosemitismus, Antisemitismus und Anti-Antisemitismus. Vergangenheitsbewältigung und Tabus, der sich in dem von ihm unter anderem herausgegebenen Sammelband Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus befindet, dass jüdische Organisationen Antisemitismus in einer gewissen Größenordnung brauchen würden, um ihrer Interessen durchzusetzen, dass Antisemitismus nicht zuletzt auf das Verhalten einiger Repräsentanten des Judentums zurück zuführen sei und klagt den „straken jüdischen Einfluss in den USA" an.(3)

An und für sich könnte mensch annehmen, dass es für eine Sozialdemokratin selbstverständlich sein sollte nicht bei einem Antisemiten zu promovieren und an der Reproduktion eines Deutungsmusters mitzuwirken, dass zwangsläufig (sekundär) antisemitische Ressentiments bedient. Dies wäre aber nur dann verwunderlich, gäbe es in der BRD einen wirklich bestehenden Konsens dahingehend, Antisemiten nicht wiederstandlos agitieren und wissenschaftlich arbeiten zulassen. Die gesellschaftliche Reputation Eckhard Jesses weist auf das Gegenteil.(4)

(1) Vgl. Everts, S 77.
(2) Uwe Backes/Eckhard Jesse/Rainer Zitelmann (Hg.) (1990) Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus.
(3) Vgl. Jesse (1990) S. 545 f.
(4) Jesse kommt die Deutungshoheit über den Extremismusbegriff in der BRD zu. Er war nicht nur geladener Sachverständiger des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des anvisierten NPD Verbotsverfahren, beriet bei gleichem Thema die rot-grüne Bundesregierung und ist einer der wichtigsten „Hausautoren“ der Bundeszentrale für politischen Bildung.

Dienstag, 25. November 2008

Deutsche Naturprdoukte für die No-Globals. Zum Antiamerikanismus in der Bionade Kampagne.

Dass die jeweilige Esskultur eines Landes schon seit langem ihren Beitrag zur nationalen Identitätsstiftung nicht nach kommen kann und somit innerhalb der identitätsstiftenden Faktoren ins Hintertreffen geraten ist, steht nicht im Widerspruch, sondern erklärt vielmehr die Revitalisierung nationaler Deutungen der hiesigen Esskulturen. Der Wandel vollzog sich durch den Austausch des Bezugsobjekts, gegen das die eigenen Produkte in Stellung gebracht werden. Galt es in früheren Tagen die Einzigartigkeit und damit das spezifisch nationale, also deutsche, herauszustreichen, um sich von allem anderen zu distinguieren, so geht es heut zutage darum, den Unterschied zu den USA auszumachen, deren exponierte Funktion in der Welt der Kapitalakkumulation zwischen den Staaten, eine Rückkopplung aller Erscheinungen des Kapitalismus auf ihre Politik zufolge hat.

In der Logik dieses antiamerikanischen Ressentiments, sind die USA für den Bedeutungsverlust nationaler Esskulturen direkt verantwortlich zumachen, da es im Interesse der USA sein muss, andere Kulturen zu zerstören, um ihre Unkultur universalisieren zu können und somit anstelle der einstigen Kulturen zu treten, um den größtmöglichsten Kapitalertrag abschöpfen zu können.

Wie weitverbreitet und kommerzialisierbar dieses Deutungsmuster ist, führt die gegenwärtige Werbekampagne des Getränkeherstellers Bionade Gmbh vor Augen, die ihr Erfrischungsgetränk Bionade als deutsches Natur und Kulturprodukt gegen minderwertige und unnatürliche US- Produkte, im speziellen Coca Cola, in Stellung bringt. Ihre Werbeslogans weisen dabei frappierende Ähnlichkeiten zu jenen Parolen auf, die von den exponiertesten Vertretern des Antiamerikanismus formuliert wurden sind. Heißt es in einem Slogan Holunder statt Blackberry(1), so lässt sich bei der neonazistischen NPD die Losung finden Deutscher Wein, statt Ami-Fusel.(2) Die Annahme wonach die unterschiedlichen Slogans auf den Werbetafeln, insgesamt 26 an der Zahl, auf bereits internalisierte Ressentiments zugeschnitten sind, wird durch die Tatsache belegt, dass die Auswahl der Plakate von dem jeweiligen Umfeld, in dem sie zuschau gestellt werden sollen, abhängig gemacht wurden ist.(3) In Berlin-Kreuzberg erhofften sich die Initiatoren besonderen Zuspruch durch den Slogan Von führenden US-Getränkeherstellern nicht empfohlen(4). Diese Antizipation verwundert keines Wegs, wenn mensch sich in Erinnerung ruft, dass die erste McDonalds Filiale in Kreuzberg letztes Jahr nur unter Polizeischutz eröffnet werden konnte.

Die Kampagne der Bionade Gmbh ist der konkrete Ausdruck eines gewandelten Bedürfnisses der Konsumenten in Deutschland, nur so ist es zu erklären, das professionelle Werbestrategen zu der Meinung gelangen können, dass sich durch die Kolportage antiamerikanischer Ressentiments, die Produkte ihrer Kunden besser absetzen lassen können.
Die relevanten Kriterien für Nahrungsmittel, die in der Trias, fair gehandelt, biologisch und regional gebündelt sind, scheinen sich in dem konkreten Produkt Bionade zu verneinen. Abstrakt betrachtet, bilden sie aber den Gegensatz zu den Attributen, die den US Produkten zu geschrieben werden: Raubtierkapitalistisch, synthetisch und global. Der Run auf Produkte mit Bio- Siegel ist somit nicht nur Ausdruck des gestiegenen Bedürfnisses nach gesunderer Ernährung, sondern auch darauf, der kapitalistischen Globalisierung, also den USA, ein Schnippchen zu schlagen. Diese vermeintliche antikapitalistische Implikation wurde auch von den Werbestrategen erkannt und entsprechend in die Bionade Kampagne eingebaut. Der subversive Gestus der Bionade drückt sich in Sprüchen wie, Jede Revolution beginnt mit einem leichten Prickeln(6) oder durch eine Reminiszenz an die Generation 68 aus.(7)

Marx Einschätzung wonach dem Kapitalismus in Deutschland durch die Verbreitung antikapitalistischer Phrasen zum Erfolg gereicht wird, scheint sich dieser Tage wieder einmal zu bestätigen.

(1) http://www.bionade.com/botschaften2008/service/blackberry.jpg
(2) http://www.netz-gegen-nazis.com/lexikontext/antiamerikanismus
(3) http://jungle-world.com/artikel/2008/30/22289.html
(4) http://www.bionade.com/botschaften2008/service/nichtempfohlen.jpg
(6) http://www.bionade.com/botschaften2008/service/revolution.jpg
(7) http://www.bionade.com/botschaften2008/service/68er.jpg